Werft das Dot-Voting auf den Scheiterhaufen der Workshop-Methoden
Setzt Du immer noch Dot-Voting ein? Meiner Meinung nach sollte diese Methode verbannt werden. Ich beschreibe hier, warum das so ist und welche Alternativen es gibt.
Im agilen Arbeitsumfeld gerate ich oft in eine Retrospektive oder andere Workshopformate, bei denen Dot-Voting angewendet wird. Mit Punkten oder Strichen wird priorisiert, was zu besprechen ist. Leider hat sich diese Methode als De-facto-Standard durchgesetzt.
Dot-Voting, auch bekannt als Sticker Voting oder Affinity-Mapping, ist eine gängige Praxis in Retrospektiven, d. h. in Workshops, in denen die Arbeit reflektiert und Verbesserungsmöglichkeiten ermittelt werden. Bei der Punktabstimmung erhalten die Gruppenmitglieder eine bestimmte Anzahl von Aufklebern oder Punkten und werden gebeten, diese neben den Ideen oder Problemen zu platzieren, die ihrer Meinung nach am wichtigsten sind oder Priorität haben sollten. Die Idee hinter der Punktabstimmung ist, den Gruppenmitgliedern die Möglichkeit zu geben, Ideen schnell und einfach zu priorisieren und auf visuelle Art und Weise eine Übersicht zu erhalten.
Im Nachhinein betrachtet hat die Punktabstimmung jedoch mehrere Nachteile, die sie zu einer schlechten Wahl für Retrospektiven machen.
Erstens kann die Punktabstimmung voreingenommen und unfair sein. So ist ein Thema der Gruppe vielleicht lieber, entspricht jedoch nicht dem wichtigsten oder dringendsten Thema. Einige Vorschläge werden von der Gruppe gewählt, weil die Vorschlagenden sie lauter oder mit mehr Durchsetzungskraft bewerben, und nicht, weil ihre Ideen tatsächlich die besten sind. Womöglich nimmt auch die Position des Themengebers im Unternehmen Einfluss auf das Ergebnis. Diese Punkte können dazu führen, dass ruhigere Personen unbeachtet bleiben und Vorschläge im Voting nicht vertreten sind.
Zweitens ist bei der Punktabstimmung kein differenziertes oder detailliertes Feedback möglich. Bei der Punktabstimmung können die Gruppenmitglieder in der Regel nur einen oder wenige Aufkleber oder Punkte neben einer Idee platzieren, was nicht viele Nuancen oder Details zulässt. So kann ebenfalls ein als einfach empfundenes Thema viele Punkte erhalten und ein unbeliebtes oder kritisches Thema vermieden werden. Dies kann es dem Team erschweren, sich weiterzuentwickeln.
Drittens ist ein einfaches Dot-Voting oft mit einer offenen Frage gestellt, nach dem Motto “Welche der Themen wollt ihr davon im Detail besprechen”. So dirigiert auch einfach die Tageslaune oder andere Faktoren die Entscheidung, wie viele Striche ein Thema bekommt.
Viertens erfolgt die Abstimmung meist, nachdem alle Teilnehmer reihum ihre Klebezettel vorgestellt haben. Das kann sehr lang dauern und sehr viel werden. Die Argumente und Erläuterungen sind dann schnell wieder vergessen und in der Voting Phase schon aus dem Kopf. Dadurch kann sich das Voting Ergebnis verfälschen.
Auch wenn die Punktabstimmung eine einfache und schnelle Methode zur Priorisierung von Ideen in Retrospektiven zu sein scheint, ist sie eine schlechte Praxis, die zu Verzerrungen, mangelnden Details und einem Mangel an sinnvollen Maßnahmen führen kann. Anstatt sich auf Punktabstimmungen zu verlassen, sollten Teams besser auf alternative Methoden zurückgreifen, wie z. B. gewichtete Abstimmungen, bei denen die Teammitglieder eine bestimmte Anzahl von Stimmen erhalten, die sie auf die zu prüfenden Ideen oder Themen verteilen können, oder strukturierte Diskussions- und Entscheidungsprozesse, die detaillierteres und differenzierteres Feedback ermöglichen.
Es gibt mehrere alternative Methoden, die Teams anstelle der Punktabstimmung in Retrospektiven verwenden können. Einige der gängigsten Alternativen sind:
Strukturierte Bewertung und Entscheidungsfindung: Anstelle einer einfachen Abstimmung mit der Frage “was wollt ihr angehen”, können Teams strukturierter nach Kriterien bewerten und Entscheidungsfindungsprozesse durchführen. So kann zum Beispiel überlegt werden, welches Outcome oder Kenngröße verbessert werden muss und welche der Themen da das größte Potenzial haben. Dies kann mit Techniken wie Brainstorming oder Konsensbildung geschehen, um die wichtigsten Ideen zu identifizieren und einen Aktionsplan zu entwickeln.
Prioritätsmatrizen: Eine Prioritätenmatrix ist ein Instrument, mit dem Teams Ideen auf der Grundlage ihrer Wichtigkeit und Durchführbarkeit in eine Rangfolge bringen können. Eine Variante ist die Eisenhower Matrix. Die Ideen werden in ein Raster eingetragen, wobei die x-Achse die Wichtigkeit und die y-Achse die Dringlichkeit darstellt. Die Achsen können aber auch alternative Dimensionen haben, zum Beispiel die Durchführbarkeit. Auf diese Weise können Teams die wichtigsten und durchführbaren Ideen ermitteln und ihre Bemühungen entsprechend priorisieren. Und wichtig: speziell bei der Eisenhower Matrix geht es auch darum, wichtige Themen anzugehen, bevor sie dringend werden.
Letztendlich hängt die beste Alternative zur Punktabstimmung von den spezifischen Bedürfnissen und Zielen des Teams und dem Kontext ab, in dem die Retrospektive durchgeführt wird. Durch die Abwägung der Vor- und Nachteile der einzelnen Methoden und das Experimentieren mit verschiedenen Ansätzen können Teams die beste Lösung für ihre Bedürfnisse finden. Alle Methoden sollten jedoch zu besseren Ergebnissen führen als das einfache Dot-Voting.