Ein Kompass für Innovationen – Teil 1
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Ein Kompass für Innovation - Teil 1

02.09.2021 Posted 2 Jahren ago Timothy Krechel

Abgerechnet wird zum Schluss

Es gibt deutliche Gemeinsamkeiten, wenn wir an unsere Schulzeit, das Studium, einige Praktika oder auch Teile unseres Berufslebens denken. Alle großen Vorhaben, die über einen (mehr oder weniger) längeren Zeitraum liefen, hatten eine ähnliche Struktur: Es gab ein anfängliches Commitment, wie beispielsweise die Themenwahl für eine Fach-, Seminars-, Bachelor- oder Masterarbeit, oder ein Ziel (Datum der Abschlusspräsentation, Launchtermin o.Ä.) und der Weg bestand darin, reinzuklotzen. Getting. Shit. Done.

Natürlich gab es zwischendrin auch mal etwas Feedback: Der etwas schamvolle Gang zur Professorin, ob diese Ausführung nun besser vor, nach oder zwischen die Kapitel 2.3 und 2.4 passt. Die Abstimmungsrunde mit dem Key Account Manager, der empfiehlt, Folie 17 ins Backup zu verschieben. Oder das UX-Testing, bei dem rauskommt, dass die Font der Primärbuttons für die Zielgruppe 60+ zu klein ist. Aber das, was eigentlich zählte, waren die Note, der Vertragsabschluss und die Zahl der Monthly Active Users (MAU).

Mit diesem Vorgehen, mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen, wagte sich unser Teammitglied Timothy an die große Herausforderung, ein eigenes Produkt zu entwickeln und ein Startup zu gründen. Die Erfahrung war mindestens genauso schmerzhaft wie lehrreich: Acht Monate nachdem er mit seinem Team Pläne geschmiedet, das Funding geklärt und Visual Studio Code installiert hatte, kam der Tag der Wahrheit. Der Launch, der dem Team offenbarte: Wir haben völlig an den Bedürfnissen unserer (nicht-existierenden) Nutzerinnen und Nutzer vorbei entwickelt. Auch ein Pivot fiel dem Gründungsteam schwer, denn das Backend, der eigentliche Kern der Software, konnte nunmal das, was es konnte. Zurück auf Los, nochmal von null anfangen? Das war nur sehr schwer zu verkraften.

Timothy ist nicht die einzige Person in der tarent, die solche oder ähnliche Erfahrung gemacht hat. Denn nicht nur wir selbst, sondern auch einige unserer Kunden, für die wir Software entwickeln, tappen in die Falle, den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen. Das Bauchgefühl über Chancen am Markt, Bedürfnisse von Konsumenten und das Business Model werden schnell zur Entscheidungsgrundlage für größere Softwareprojekte. Das Budget wird festgelegt, der Return on Invest kalkuliert, die Pressekonferenz für den Launch terminiert und mit der Umsetzung begonnen, bis das ultimative Feedback nach dem Go-Live eintrifft. Ist der Zug erst einmal in Bewegung, ist ein Umlenken, Anhalten oder Weichenstellen schwer möglich: Fehler müssten zugegeben, Probleme offen angesprochen, die Investition neu bewertet werden und “jetzt haben wir schon so viel Geld in die Hand genommen; wir ziehen das durch!”. In diese Situation zu geraten ist nicht ungewöhnlich, sondern einfach unserem menschlichen Sicherheitsbedürfnis geschuldet und kommt häufig vor. Trotzdem geht es besser: Wie können wir also unsere eigenen Fallstricke umgehen und bei größeren Vorhaben Richtungswechsel besser zulassen?

Der tarent Innovationskompass

Ein richtungsgebendes Framework

Motiviert aus diesem Potpourri an Erfahrungen war ein zentrales Anliegen des Innovation Consulting-Teams, ein Framework zu entwickeln, mit dem wir dem Fundament aus Annahmen bei größeren Vorhaben auf den Grund gehen können. Dieses Framework sollte über eine Art Reifegrad leicht und schnell die größten Risiken eines Produktes oder Projektes aufzeigen. Was im ersten Moment wie “noch nicht mit der Entwicklung anfangen” wirkt, ist in Wirklichkeit der schnellste Weg für vorzeigbare Ergebnisse! Anfangs hieß es noch etwas sperrig Innovationsreifegradmodell, nach ein paar Iterationen wurde es zum tarent Innovationskompass.

Die Kernaussage die der Kompass ausdrücken sollte, war klar: Der Reifegrad einer Innovation hängt maßgeblich davon ab, wie evidenzbasiert die zu Grunde liegenden Annahmen sind. Eine rein anekdotische Evidenz basierend auf Hörensagen und dem eigenen subjektiven Gefühl über Bedürfnisse am Markt reicht nicht. Deswegen steht auch auf Platz 1 der Gründe, warum Startups scheitern, dass überhaupt kein Bedarf für die eigene Produktidee besteht. Soll heißen: Wir überprüfen bei großen Vorhaben von Anfang an unsere eigenen Annahmen und sammeln Beweise dafür, ob unsere Annahmen stimmen oder nicht. So können wir besser Richtungswechsel vornehmen und bewegen uns weg vom Hörensagen und Vermuten.

An der intensiven Beschäftigung mit dem User, dem vor-die-Tür-gehen und der Überprüfung des eigenen Bauchgefühls führt also kein Weg vorbei. Doch dieser Weg ist aufwendig, aufgrund der Konfrontation mit der Realität schmerzhaft und es fühlt sich anfangs manchmal auch nicht sonderlich nach zählbarem Fortschritt an. Deswegen ist es so verlockend, in gelernte Denkmuster zu verfallen, sich einzuschließen und einen Plan für die Weltherrschaft zu schmieden. Wie unpraktisch, dass es fast immer die Kundin des Produkts ist, die den großen tollen Plan durchkreuzt, in dem sie – nun ja – einfach nichts tut und ihr Portemonnaie in der Hosentasche lässt!

Wie wir im Team für uns und unsere Kunden den Innovationskompass nutzen, um gewohnte Denkmuster zu durchbrechen,eigene Annahmen kritisch zu hinterfragen und mit triftigen Beweisen zu untermauern, erfahrt ihr im zweiten Teil unserer Blogserie!

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Das A-Team der Innovation. Sie befähigen Unternehmen, neue Produkte und Lösungen zu entwickeln, die wirklich gebraucht und am Markt Bestand haben werden.

tarent Innovation Consulting Teamv. l. n. r.: Timothy Krechel, Frederik Vosberg, Corinna Voss, Andrea Lüthje, Josua Waghubinger