Ein Kompass für Innovation - Teil 3
Mit dem Innovationskompass Risiken auflösen!
Konkrete Annahmen als Unterteilung der Reifegrade
Im zweiten Teil unserer Blogserie haben wir euch den tarent-Innovationskompass mit den drei Reifegraden Problem-Solution-Fit, Business Model und Product-Market-Fit vorgestellt. Dieser Kompass hilft euch dabei, euer Innovationsvorhaben in kleine iterative Schritte zu unterteilen und Risiken signifikant zu reduzieren.
Im letzten Teil der Serie möchten wir euch nun die drei Reifegrade im Detail vorstellen, damit ihr sie im Alltag einsetzen könnt.
Grad 1: Problem-Solution-Fit
Unter dem Reifegrad Problem-Solution- Fit gliedern sich die Annahmen “Wir kennen das Problem, das von dem Produkt gelöst werden soll”, “Wir kennen die existierenden Alternativen zu unserem Produkt, die zum Lösen des Problems verwendet werden” und “Unsere Lösung löst das Problem”. Sind wir als Innovatorinnen und Innovatoren in der Lage, diese Aussagen mit großer Sicherheit (und ohne uns dabei in die Tasche zu lügen) treffen zu können, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Problem und Lösung übereinander passen – und wir können uns zuversichtlich dem nächsten Schritt dem Business Model widmen.
In diesem ersten Reifegrad geht es also immer um die Kernfrage: Lösen wir tatsächlich ein Problem echter Menschen? Und haben wir unsere Lösung tatsächlich mit echten Menschen konsequent überprüft und ausreichend Feedback eingeholt?
Viele Start-ups und auch Innovationsprojekte scheitern genau an diesem Punkt: Es werden Projekte oder Produkte umgesetzt, die keine Probleme echter Menschen lösen. Das lässt sich leicht vermeiden, wenn man sich in der Phase Problem-Solution-Fit nicht auf dem Bauchgefühl ausruht, sondern das Problem mindestens qualitativ validiert!
Ein Nebeneffekt der Untersuchung von Nutzerproblemen ist, dass das Minimum Viable Product (MVP), also die kleinstmögliche wertstiftende Version unseres Produktes, fokussierter wird. Wir decken auf, welche Probleme wir lösen wollen und wie die kleinste Menge an Features aussieht, um das zu tun. Hier die Anzahl der Probleme einzuschränken sorgt für wesentlich kürzere Entwicklungszyklen.
Zum nächsten Grad Business Model gehen wir erst, wenn wir stichhaltige Beweise haben, dass unser Vorhaben tatsächlich existierende Probleme und Bedürfnisse adressiert.
Grad 2: Business Model
Die Annahmen zum Reifegrad Business Model sind weniger umfangreich, denn hier gibt es nur einen zentralen Punkt: “Wir kennen unser Business Model”. Hier beginnt die wirtschaftliche Betrachtung der Innovation. Grundlegend gibt es unterschiedliche Arten von (digitalen) Business Modelvarianten. Dazu gehören Betrachtungen wie viele Parteien an dem Geschäft beteiligt sind (Direktes Business Model, Multi-sided und Marktplatz), wie häufig Kunden zahlen (einmalig, monatlich, jährlich) und wie hoch die Preise sind. Diese müssen den Kostenstrukturen gegenübergestellt werden.
Bei der Erlangung von Konsens über das Business Model und der Dokumentation helfen Darstellungen, die das Business Model auf einem Poster übersichtlich zusammenfassen. Dort können die zu überprüfenden Hypothesen abgebildet werden und das Team erkennt Fallstricke schnell.
Wichtig ist außerdem, beim Übergang von Reifegrad eins zu Reifegrad zwei zu klären, ob die Lösung wirklich zum Unternehmen passt. Im ersten Reifegrad wurde im besten Fall bereits ein gutes Verständnis für die Probleme der Zielgruppe und die eigene Lösung geschaffen und möglicherweise hat sich die Vorstellung von dem eigentlichen Produkt bereits verändert. Das ist ein guter Zeitpunkt, den Passgrad zu Organisation, Zielgruppe und Marke einmal kritisch zu hinterfragen. It’s a match? Dann kann die Lösung intern auf den Weg gebracht werden. Passt mein Vorhaben gar nicht zu meinem Unternehmen und ich bewege mich vom Kern meiner Marke weg? Dann kann ich mich bewusst entscheiden: Möchte ich die Revolution starten und meinen Markenkern umkrempeln? Odersollteich doch lieber ein anderes Vorhaben wählen?
Grad 3: Product-Market-Fit
Unter den Reifegrad Product-Market-Fit gliedern sich die Annahmen “wir können unsere Zielgruppe ansprechen”, “genug NutzerInnen haben das Problem”, “die Lösung ist technisch implementierbar” und “die Prozesse der Lösung sind implementierbar”. Diese Aspekte kommen in den meisten gängigen Innovationsmethoden in der einen oder anderen Form vor, ergänzt um die Komponenten der technischen und prozessualen Umsetzbarkeit.
In dieser Phase überprüfen wir also konsequent, ob die Zielgruppe und das Marktsegment wirklich so groß sind, dass wir mit dem Vorhaben langfristig Geld verdienen können. Es geht also letztlich auch um die Frage der Nachhaltigkeit: Können wir unser Vorhaben auf stabile Füße stellen, damit unser neues Produkt Bestand hat?
Zuordnung der Annahmen zu den Reifegraden
Beweise sammeln: Wie sicher sind wir uns bei unseren Annahmen?
Um zu entscheiden, wie sicher unsere Annahmen sind, gibt es im Innovationskompass eine zweite Dimension, nämlich die der Evidenz. Wir haben in den ersten beiden Blogbeiträgen bereits mehrfach betont, wie wichtig es ist, stichhaltige Beweise zu sammeln, ob die eigenen Annahmen wirklich korrekt sind und nicht nur diffuse Hypothesen, die auf Glaubenssätzen, Erfahrung oder Anekdoten basieren.
Jede Annahme kann deshalb im Kompass vier Evidenz-Ausprägungen annehmen:
- Konzept
- anekdotische Evidenz
- qualitativ validiert
- quantitativ validiert
Konzept ist hierbei die niedrigste Ausprägung, quantitativ validiert ist die höchste. Es ist nicht zwangsläufig notwendig, Annahmen quantitativ zu untersuchen, um wertvolle Erkenntnisse zu sammeln und ihre Gültigkeit zu beurteilen. Deswegen wird für das Erreichen der Reifegrade keine quantitative Validierung vorausgesetzt. Nichtsdestotrotz helfen manche quantitativen Daten enorm bei der Entscheidungsfindung, weswegen sie hier mit auftauchen.
Je nach Refegrad können unterschiedliche Varianten der Evidenzprüfung zum Einsatz kommen. Die Stufe Konzept kann zum Beispiel je nach Annahme ganz unterschiedlich aussehen. Wir verdeutlichen das an zwei Annahmen: Bei der Annahme “Wir kennen das Problem, das gelöst werden soll” würde konzeptionelle Evidenz zum Beispiel bedeuten, dass wir die drei Top-Probleme, die unsere Lösung lösen soll, konkret formulieren. Bei der Annahme “unsere Lösung löst das Problem” hingegen bestünde die konzeptionelle Evidenz darin, dass wir unsere Lösung skizziert haben und gedanklich durchspielen, ob wir die Nutzerbedürfnisse befriedigen.
Diese konkrete Ausarbeitung für die jeweilige Annahme und Evidenzstufe ist eine wertvolle Hilfestellung bei der Beurteilung. Frag dich also bei jeder Annahme: Welche Evidenzstufe ist die richtige für mich? Was muss ich ausarbeiten und ausformulieren, um neue Beweisezu bekommen? Liefert mir die Stufe die Erkenntnisse, die ich brauche, um auf das nächste Level zu kommen? Eine vollständige Übersicht findet sich in unserem Worksheet zum tarent Innovationskompass.
Das Worksheet zum Innovationskompass: Alle Reifegrade und Evidenzstufen auf einen Blick!
Bevor ihr euch in die praktische Arbeit mit dem Worksheet stürzt, sei gesagt, dass es auch mit dem Innovationskompass keine One-Size-Fits-All-Lösung gibt. Auch wenn der Fokus auf die Bedürfnisse, Probleme und Alternativen von und für die Nutzer*innen in frühen Innovationsphasen fast immer Sinn macht, kann es manchmal auch ganz anders sein. Bei technisch besonders riskanten Innovationen, wo die Machbarkeit gar nicht absehbar ist, ist letztere die riskanteste Annahme. Hier kann es Sinn machen, die primäre Nutzerforschung erst nach einem Proof of Concept durchzuführen. Auch bei besonders ausgeprägten Zweifeln über die Größe der Zielgruppe kann es lohnenswert sein, erst dieses Risiko abzuschätzen bevor weitere wertvolle Zeit in die Validierung der sonstigen Annahmen gesteckt wird.
Quo vadis, Innovationskompass?
Der Innovationskompass hilft uns in Projekten vor allem in zwei unterschiedlichen Situationen. Bei einem laufenden Projekt lässt sich erstens mit dem Innovationskompass eine kleine Bestandsanalyse durchführen: Wo ergeben sich Lücken in der Validierung und welche Annahmen sind bisher am wenigsten geklärt? Steht das Innovationsvorhaben insgesamt auf einem soliden Fundament? Und zweitens bietet der Innovationskompass im Projekt selber Orientierung, indem er die nächsten Schritte operationalisiert: Wie komme ich bei der Problemkenntnis über die anekdotische Evidenz hinaus? Welche Beweise muss ich sammeln? Und wie sieht mein nächster Schritt aus, um möglichst schnell mit meinem Produkt Traktion zu bekommen?
Um gut schlafen zu können und die einzelnen Reifegrade oder Schritte mit einem einigermaßen guten Gefühl validiert zu haben, setzen wir mindestens eine qualitative Validierung voraus. Das heißt, wie oben schon angerissen, es führt kein Weg daran vorbei, sich aus der Tür zur stürzen und sich mit den Nutzer*innen zu unterhalten. Das gilt grundsätzlich für alle drei Reifegrade Problem-Solution-Fit, Business Model und Product-Market-Fit. Eine kleine Ausnahme bildet Problem-Solution-Fit: Da es für den Erfolg des Innovationsvorhabens ganz entscheidend ist, dass die Zielgruppe sowohl leicht zugänglich als auch ausreichend groß ist, sollten für den Reifegrad Problem-Solution-Fit mindestens Schätzungen beziehungsweise ein Konzept zu diesen beiden Annahmen vorhanden sein. Da diese beiden Ausprägungen eigentlich zum Reifegrad Product-Market-Fit gehört, bricht das etwas mit der klaren Aufteilung der Schritte, jedoch erhalten wir im Gegenzug früh ein erstes Gefühl über die Marktsituation.
So lässt sich schrittweise mit dem Innovationskompass arbeiten. In den meisten Fällen validieren wir mit dem Problem-Solution-Fit erst die Problemdomäne (und ein klitzekleines bisschen bereits den Markt), widmen uns dann ausführlich dem Business Model und beschäftigen uns dann mit den Annahmen zum Markt durch die Validierung des Product-Market-Fit.
Zugegeben: in Projekten, die die oben beschriebenen Probleme haben (also sich bereits in der Umsetzung befinden, ohne die Grundlagen validiert zu haben) und bei denen der Innovationskompass Lücken aufzeigen würde, ist seine Verwendung eher schmerzhaft als attraktiv. Genau diese Datenlücken zu identifizieren macht ihn für uns in der Beratung bei Innovationsvorhaben jedoch zu einem hilfreichen Werkzeug in unserem Werkzeugkasten. Er hilft uns dabei, nach einem kurzen Gespräch auf einen Blick zu sehen, wo das Innovationsvorhaben gerade steht, wie risikobehaftet der derzeitige Umsetzungsschritt ist und gibt uns direkt erste Maßnahmen an die Hand, um die Risiken zu senken.
Weniger raten, mehr wissen
Der tarent Innovationskompass führt also, richtig angewendet, datengetrieben zu Produkten, die
- Nutzer*innen wirklich nutzen wollen
- wirtschaftlich sinnvoll sind
- am Markt bestehen
Wir begleiten unsere Kundinnen und Kunden bei der Entwicklung laufender oder ganz neuer Innovationen für ein minimales Projektrisiko und möglichst schnelle Erfolge. Gerne nehmen wir uns in einer 30- bis 60-minütigen Sparring-Session Zeit für Dich und Deine Idee, um mit Hilfe des Innovationskompasses die riskantesten Annahmen aufzudecken und mit Dir gemeinsam wertvolle Handlungsempfehlungen abzuleiten. Buche hier Deine kostenlose Sparring-Session. Außerdem kannst Du Dir hier kostenlos ein Worksheet zum Kompass herunterladen und selber loslegen.
tarent Innovation Consultants
Das A-Team der Innovation. Sie befähigen Unternehmen, neue Produkte und Lösungen zu entwickeln, die wirklich gebraucht und am Markt Bestand haben werden.
v. l. n. r.: Timothy Krechel, Frederik Vosberg, Corinna Voss, Andrea Lüthje, Josua Waghubinger